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Friedrichshafen – Ein Spaziergang zwischen Alt und Neu

  • Autorenbild: O Peregrino
    O Peregrino
  • 27. März
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 2. Mai

Friedrichshafen. Für Jürgen war der Name eine starke Erinnerung. Es war nicht nur eine Stadt am See; hier waren seine ersten Schritte über Kopfsteinpflaster gestolpert, hier hatte der vertraute Wind vom Wasser einst sein Kindheitshaar zerzaust. Für Huayna jedoch war alles neu – mit jedem Schritt zeichnete sich eine neue Karte ab.


Sie waren nicht zum Sightseeing gekommen. Der eigentliche Zweck der Reise war klar und dringlich: die Pflege von Jürgens 85-jähriger Mutter und ihrem Partner Hermann. Nach ihrem Sturz und dem Wirbelbruch war der Alltag für sie zu einem mühsamen Aufstieg geworden. Sie bewegte sich vorsichtig, behutsam und manchmal gar nicht ohne Hilfe. Die Tage verliefen in einem gleichmäßigen Rhythmus – Lebensmittel einkaufen, schwere Taschen enge Treppen hinauftragen, in Apotheken auf empfindliche Medikamentenpackungen warten.


Doch wenn der Regen nachließ oder der graue Himmel sich etwas lichtete, schlichen sich Jürgen und Huayna zwischen ihren Besorgungen kurz davon, um die Stadt zu erkunden.


Sie schlenderten die Seepromenade entlang, wo das Plätschern des Wassers ans Ufer die Enge in ihrer Brust zu lindern schien. Fähren kamen und gingen wie ein Atmen – sie kamen an, fuhren ab, kamen wieder an – und für einen Moment entsprach der Rhythmus des Sees dem Rhythmus ihres Lebens: stetig, notwendig, lebendig.



Sie erklommen den 22 Meter hohen Moleturm, einen stählernen Aussichtsturm in Hafennähe. Stufe für Stufe, höher und höher, bis sich die Stadt unter ihnen öffnete – Dächer, Kirchtürme, die blaue Weite des Bodensees, die sich bis in die Ferne erstreckte. Der Ausblick war nicht nur schön, er war befreiend. Jürgen blickte über seine Geburtsstadt, und Huayna sah sie zum ersten Mal mit jungen, staunenden Augen.



An einem anderen Tag besuchten sie die Schlosskirche – die Zwillingstürme, die wie beständige Wächter über der Stadt emporragten. Drinnen war die Luft kühl und still, und die Stille legte sich sanft auf ihre Schultern. Huayna nahm das kunstvolle Mauerwerk, das flackernde Kerzenlicht und die Echos unzähliger Leben, die vor ihnen vergangen waren, in sich auf.


Später wanderten sie zum Schlosspier, einem von Jürgens alten Lieblingsplätzen. Dort schien die Zeit langsamer zu vergehen. Jürgen zeigte Huayna, wo das Licht perfekt auf das Wasser fiel, um es zu fotografieren, wie sich der See silbrig verfärbte, wenn sich die Wolken am Nachmittag teilten. Huayna versuchte mit der Kamera, das Gefühl einzufangen – etwas zwischen Staunen und stiller Sehnsucht.


Obwohl ihre Tage voller kleiner Pflichten und der liebevollen Zuwendung zu Jürgens Mutter waren, wurden auch diese "gestohlenen" Stunden in Friedrichshafen kostbar. Es waren Stunden schlichter Anwesenheit: des Gehens, Sehens und des stillen Verknüpfens neuer Erinnerungen mit alten.


Und als der Mai – mit mehr Regen als Sonne – voranschritt, stellten sie fest, dass es manchmal genügte, einfach gemeinsam am Wasser zu stehen, den Fähren beim Kommen und Gehen zuzusehen und das ruhige Herz des Sees unter dem wechselnden Himmel zu spüren.

Publiziert: 02/05/2025

 
 
 

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