13) Ein Tag wie kein Anderer
- O Peregrino
- 1. März
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Juni
Kleine Wunder geschehen immer noch – man muss nur darauf achten. Der Wetterbericht, der sonst so oft grauen Himmel und Regen ankündigte, versprach etwas fast Unglaubliches: einen ganzen Tag ohne Regen. Sonnenschein, ein paar vorbeiziehende Wolken und die perfekten Bedingungen für ein Abenteuer.
Frühmorgens packten Jürgen und Huayna ihre Rucksäcke und bestiegen erneut den Zug nach Lindau. Sie schlenderten kurz durch die charmante Altstadt, ihre Schritte leicht vor Vorfreude. In einem Reisebüro holten sie sich Tipps für Wanderwege im Allgäu und kauften sich eine Wanderkarte – ihre Eintrittskarte in die weite, grüne Welt jenseits der Stadt.

Und dann machten sie sich auf den Weg.
Mit langen, eifrigen Schritten verließen sie Lindau und steuerten auf die österreichische Grenze zu. Die Straßen wichen langsam Landstraßen, die sich wiederum in Waldwege verwandelten. Jeder Schritt führte sie weiter weg vom Stadttrubel, tiefer hinein in die Natur. Huaynas Augen funkelten vor Aufregung, als sie durch dichte Wälder kletterten, kleine Dörfer durchquerten und die reine, lebendige Luft der Berge einatmeten.

Ihr Ziel war Möggers, eine Berggemeinde im Leiblachtal, direkt am Pfänderstock. Von der richtigen Stelle aus konnte man Lindau und den Bodensee wie einen blauen Traum im Westen sehen.
Während ihrer Wanderung erblickten sie in der Ferne den Allgäu Skywalk – ein filigranes Netz aus Baumwipfelpfaden, das sich hoch über dem Waldboden erstreckt. 540 Meter lang und an der höchsten Stelle 40 Meter hoch, schien der Skywalk zwischen Himmel und Erde zu schweben. Obwohl die Zeit für einen Besuch nicht reichte, verlieh allein der Anblick ihrer Reise ein besonderes Gefühl des Staunens.

Bald erreichten sie einen Hügel, wo sich eine Wiese vor ihnen ausbreitete – ein endloses Meer aus gelbem Löwenzahn, der wie ein goldener Teppich im Wind schimmerte. Ein einzelner, verdorrter Baum, der sich hartnäckig gegen den Himmel stemmte, und ein einsames Bauernhaus vervollständigten eine so malerische Szenerie, dass kein Künstler sie besser hätte einfangen können.

Doch ihr wahrer Schatz erwartete sie tiefer im Wald.
Sie betraten die Sägetobelschlucht, die Heimat des „Waldes voller Geheimnisse“. Ein abenteuerlicher und kurvenreicher Rundweg führte sie über Hängebrücken und durch hoch aufragende Buchen. Hier flüsterte die Natur ihre Geschichten in jedem Rascheln der Blätter und Gurgeln verborgener Bäche.
Sie verweilten in einer Holzhütte, durchquerten ein umbaubares Blockhaus und fanden Hängematten und Bänke, wo sie dem uralten Rhythmus des Waldes lauschen – wirklich lauschen – konnten. Vogelgezwitscher, das leise Seufzen des Windes, das Knistern unsichtbarer Lebewesen im Unterholz. Die Zeit schien sich aufzulösen. Für ein paar perfekte Stunden gab es keine Welt jenseits der Bäume.
Die Schlucht selbst bewahrte die Erinnerung an das alte Sägewerk, das einst die Kraft der Wasserfälle nutzte. Nun blieb nur der Name übrig – Sägetobel –, denn die Natur hatte sich die Vergangenheit sanft zurückerobert und Holz in Humus und Mühe in Frieden verwandelt.

Für Jürgen und Huayna war es ein Tag, der ihnen für immer im Herzen blieb. Ein Tag voller Lachen, stiller Ehrfurcht und Zugehörigkeit – ein Tag, den sie nie vergessen würden.
Und es war auch einer ihrer letzten Tage in Deutschland.

Schweren Herzens, aber voller Dankbarkeit, verabschiedeten sie sich bald von Jürgens Mutter – der es inzwischen gut ging – und ihrem lieben Partner Hermann. Sie kehrten Brasilien wieder zu und trugen Erinnerungen mit sich, die an Sonnenschein, Wälder, Wiesen und die tiefe, beständige Liebe ihrer Familie erinnerten.

Publiziert: 10/05/2025
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