06) Ein regnerischer Tag in Konstanz
- O Peregrino
- 24. März
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Juni
An einem grauen Morgen brachen Jürgen und Huayna zu einem kleinen Abenteuer jenseits von Friedrichshafen auf. Sie fuhren zum Hafen, die Scheibenwischer wischten gegen den anhaltenden Regen hin und her, und bestiegen einen Katamaran Richtung Konstanz. Der See war eine weite Fläche in gedämpftem Silber unter den tief hängenden Wolken, und der Katamaran glitt sanft darüber, eine dünne weiße Schaumspur hinter sich herziehend.
Ihr Plan war einfach: Sie wollten Joachim treffen, einen alten Freund von Jürgen. In früheren Jahren hatten die beiden unzählige Nachmittage damit verbracht, gemeinsam die verborgenen Winkel der Bodenseeregion zu fotografieren – Felder voller Wildblumen, Nebel, der im Morgengrauen vom Wasser aufstieg, vergessene Gassen in goldenes Licht getaucht. Es schien passend, sich hier wiederzusehen, im Herzen so vieler gemeinsamer Erinnerungen.

Doch als sie am vereinbarten Treffpunkt ankamen, war von Joachim nichts zu sehen. Sie warteten eine Weile und beobachteten, wie der Regen an den schmalen Schaufenstern entlangperlte, doch die Straßen blieben leer, das Telefon stumm.
Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Achseln zu zucken und das Beste daraus zu machen. Trotz des Regens und ohne Schutz durch Regenschirme begannen Jürgen und Huayna, die Altstadt von Konstanz zu erkunden.
Der Regen verlieh den alten Straßen einen ganz besonderen Zauber. Wasser sammelte sich auf den unebenen Steinen, und bunte Fassaden spiegelten sich unter ihren Füßen. Gotische Kirchtürme und mittelalterliche Türme ragten über die Dächer, gemildert vom Nebel. Die engen Gassen verwinkelten sich und öffneten sich zu kleinen Plätzen, jeder mit seinem eigenen Charakter – leuchtende Blumenkästen auf Fensterbänken, verwitterte Statuen, die über alte Brunnen wachten, kleine Cafés mit gestapelten Stühlen im Inneren, um sich vor dem Wetter zu schützen.

Huayna ging neben Jürgen her und sog alles in sich auf – im wahrsten Sinne des Wortes –, während der Regen in ihre Jacken und Haare sickerte. Sie lachten leise über ihr nasses Missgeschick und suchten ab und zu Schutz unter den Steinbögen, bevor sie sich wieder in das Labyrinth der gepflasterten Straßen wagten.
Am späten Nachmittag, durchgefroren und triefend, beschlossen sie, dass es Zeit war, zurückzukehren. Die Katamaranfahrt nach Friedrichshafen fühlte sich ruhiger an als die Morgenfahrt – beide in Gedanken versunken, das rhythmische Brummen der Motoren wie ein Schlaflied vor der regnerischen Kulisse.

Später am Abend, zurück in der trockenen Wärme ihres provisorischen Zuhauses, erfuhren sie, was geschehen war. Joachim hatte ebenfalls gewartet – treu und geduldig –, allerdings an einem ganz anderen Ort. Vielleicht lag es an einer Verwechslung oder einem Gedächtnisverlust. „Ach, das Alter“, sagte Jürgen mit einem reumütigen Lächeln, eher verständnisvoll als verärgert.

Letztendlich fühlte sich das verpasste Treffen nicht wie ein Verlust an. Der Tag selbst, durchnässt und unerwartet, hatte seine eigene stille Erinnerung hinterlassen – eine weitere Geschichte, die in ihre Zeit am See eingewoben war.
Publiziert: 03/05/2025
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